Novembergedanken
Hans-Manfred Milde 2013
Die Schwalben sind schon lange fort
vergangen sind die schönen warmen Tage
dem Nachbarn stiehlt der Wind das Wort
verwirbelt seine nebelgraue Klage.
Noch tanzt das Herbstlaub lustig im Kreis
doch hinter den Wolken wartet schon leis
der erste Schnee.
Grauschwarze Äste an Sträuchern und Bäumen
will’s dennoch wagen vom Frühling zu träumen
wie am Waldrand das Reh.
*
draußen der mond
lampe um lampe, licht um licht
draußen der mond
schreiende ampel, grüngelbe schrift
drüber der mond
liebende paare, glitzernder see
herrlicher mond
raum einer hure, baumelnde brüste,
ekliger mond
kindliches weinen, katzengemaunz
schlafender mond
brüllende flut, kreißender schrei
wahnsinniger mond
hoffende herzen, blaßrotes blut
tröstender mond
unendliche räume, traumlose nacht,
einsamer mond
ich bin allein, gedankenschwer
draußen der mond.
*
Der Wasserfall
Stürzend herab aus schwindelnder Höhe
fallen die Wasser eilend und jähe
drängen sich ein in Rinne und Grat
schießen hervor und jagen herab
Kein Halten und Ruhen in ihrem Lauf
nicht Stein noch Wurzel halten sie auf
hinab in die Tiefe ohn‘ Weh und ohn‘ Klag
den Tropfen fragt keiner ob er wohl mag
Fallen und Stürzen in endloses Nichts
dämonisches Urteil des höchsten Gerichts
die Massen stürzen, bilden den Sog
Hoffnung auf Rettung bitter betrog
Hinein in die Rinne im gleißenden Licht
wohin ich auch falle, ich weiß es noch nicht
die rasende Fahrt nimmt immer mehr zu
der Tropfen bin ich, die Tiefe bist du.
*